Hasskommentar-Recycling à la Lord of the Lost

Oder: Blog-Impulse von der neuesten Lieblingsband

Zu einem Blog gehört die Kommentarfunktion. Man soll sie unbedingt aktivieren, schließlich lebt ein Blog von Kommentaren und der Diskussion, die sich vielleicht daraus ergibt. Trotzdem war ich anfangs nicht so ganz sicher, ob ich diese Funktion auf meinem Blog wirklich haben will. Denn bekanntermaßen gibt es im Internet nicht nur schöne Kommentare. Leider sind auch immer wieder Leute unterwegs, die Hasskommentare und Beleidigungen hinterlassen. Was macht man damit?

Klar, nicht jedem wird mein Blog oder jeder Artikel gefallen, und das ist absolut okay – Nichtgefallen oder Kritik ist ja kein Hass. Aber, wie es so schön heißt, der Ton macht die Musik. Kritik dürft ihr hier gerne hinterlassen, wenn euch etwas nicht gefällt. Aber einfach nur Hasskommentare zu schreiben – das muss nicht sein.

Hier auf meinem Blog gab es bis jetzt noch keine Hasskommentare. Sicher auch deswegen, weil ich in letzter Zeit dann doch nicht so aktiv war und deswegen kaum jemand weiß, dass dieser Blog überhaupt existiert. Gesundheitlich war ich nicht so ganz fit (echt – die Erkältungssaison im Winter 2022/23 war verhext!), dadurch blieben auch andere Dinge liegen, die Vorrang vor dem Blog hatten und um die ich mich erst kümmern musste –  und so ging mein Blog in den Winterschlaf. Im Frühling. Von dort ging es dann gleich weiter in die Sommerferien, und jetzt ist es Herbst und Zeit für meinen Blog, endlich wieder aufzuwachen!

Wer sind Lord of the Lost?

Allerdings gab es da eventuell noch einen weiteren Grund, warum ich meinen Blog etwas vernachlässigt habe: die Band Lord of the Lost (Sänger und Mastermind Chris, Keyboard-Künstler und Multi-Instrumentalist Gerrit, Gitarrist Pi, Bassist Klaas und Schlagzeuger Nik). Ihre Musik wird manchmal als Gothic Metal bezeichnet, sie selbst bezeichnen ihre Musik als schrägen Genremix, und das trifft es eigentlich am besten. Sie machen einfach, was ihnen gefällt und lassen sich von niemandem reinreden. So ungefähr im Februar habe ich die Band entdeckt, und ziemlich schnell befand ich mich in einer Teenie-Mädchen-Fangirl-Stimmung: Musik hören, Videos gucken, auf deren Social-Media-Profilen stöbern, noch mehr Videos gucken, Interviews schauen, noch mehr Musik hören – WOW! Ich hätte nicht gedacht, dass das nochmal passieren würde; immerhin bin ich schon lange aus dem Teenie-Mädchen-Alter raus. Aber mit dieser Band ist es passiert. Die ersten Konzertkarten habe ich auch schon gekauft.

Als Fan von Lord of the Lost hat man nicht nur Spaß an toller Musik, kreativen Musikvideos und sehr lustigen Backstage-Videos. Von den Jungs kann man so ganz nebenbei auch das eine oder andere lernen – zum Beispiel, was man so alles mit Hasskommentaren anstellen kann.

Davon bekommt die Band nämlich einige. Manche kommen nicht mit dem Genremix klar und beschweren sich, sie seien nicht metal oder nicht gothic genug, oder sie seien überhaupt viel zu kommerziell geworden. Andere stören sich an den teilweise androgynen Bühnen-Looks mit dem auffälligen Make-up und ziehen daraus Rückschlüsse, was die Bandmitglieder so in ihren Schlafzimmern machen oder auch nicht machen – und nehmen das wiederum als Grund für Beleidigungen und dumme Kommentare. Und überhaupt-  wie können Lord of the Lost es wagen, beim Eurovision Song Contest mitzumachen oder in Wacken zusammen mit Blümchen einen Roxette-Song zu spielen?

Kreatives aus Hasskommentaren

Wie gehen die Bandmitglieder mit diesen ganzen Kommentaren um? Wie schon erwähnt, sind die fünf sehr kreativ – auf jedem Album klingen sie anders, sehen anders aus, und in ihrem Merch-Shop gibt es nicht nur T-Shirts, sondern u. a. auch Schmuck, Sportklamotten und Briefbeschwerer (die Gerüchten zufolge möglicherweise gar keine Briefbeschwerer sind 😉 ). Außerdem haben sie sehr viel Humor, was man z. B. an besagten Briefbeschwerern sieht – oder auch an ihrem Vlog “TV of the Lost”, dem wahrscheinlich lustigsten Band-Tour-Tagebuch auf YouTube.

Genauso – kreativ und mit viel Humor – begegnet die Band auch Hasskommentaren.

Klar, wirklich fiese Beleidigungen und wirklich böse Kommentare werden auch bei Lord of the Lost gelöscht, und viele dumme Kommentare werden auch einfach ignoriert. Bei manchen Kommentaren gibt es aber auch eine Retourkutsche. So wird der eine oder andere  Kommentar mit einer passenden Antwort quittiert, wie z. B. mit einem witzigen Gif oder einem schlagfertigen Spruch, oder mit der Korrektur eines Rechtschreib- oder Tippfehlers. Die besonderen Stilblüten unter den Hasskommentaren landen auch mal auf T-Shirts oder Taschen, die sich im Merch-Shop der Band sehr gut verkaufen. So sind jetzt einige Fans (und natürlich die Bandmitglieder selbst!) stolze Besitzer von T-Shirts mit Sprüchen wie “Lord of the super super super gay ninjas” oder “Billiger Öko-Rock”.

Auf dem aktuellen Album “Blood and Glitter” wurde den Internet-Trolls sogar ein ganzer Song gewidmet – “Leave Your Hate In The Comments”. Im dazugehörigen Video werden echte Hasskommentare recycelt (wie war das nochmal mit Öko-Rock? 😉 ), und die verschiedensten Arten von Troll-Kommentarschreibern kriegen ihr Fett weg. Auch hier leben die Jungs ihren Humor und ihre Wandlungsfähigkeit aus und schlüpfen selbst in die Rollen ihrer Hater –  vom elitären Goth bis hin zum vornehmen Feuilletonisten.

Hasskommentare? Das Spiel kann ich auch spielen…

Einerseits bin ich ja eher dafür, Internet-Trollen nicht auch noch den Gefallen zu tun und ihnen noch mehr Aufmerksamkeit zu geben. Aber ganz ehrlich: Das, was Lord of the Lost machen, ist doch eine geniale Idee: Hasskommentare humorvoll und kreativ nutzen! Einerseits gibt man den Kommentarschreibern damit natürlich schon Aufmerksamkeit. Andererseits nimmt man sie damit auch auf die Schippe und zeigt ihnen, dass man sich von ihnen nicht weiter beeindrucken lässt.

Ich bin jetzt keine Musikerin – ich bin Linguistin. Ich schreibe keine Songtexte,und von mir gibt es keinen Merch (jedenfalls noch nicht… soll ja durchaus Blogger geben, die sowas haben… 😉 ). Aber ich beschäftige mich mit Sprache – und Hasskommentare sind ja schließlich auch Sprache. Falls ich also mal Hasskommentare oder ähnliches abbekomme, wird mir sicher auch eine geeignete Verwendung dafür einfallen. Kreativ, humorvoll und sprachwissenschaftlich.

Davon abgesehen finde ich diesen Ansatz klasse: Wenn jemand meint, er müsste blöde Kommentare hinterlassen, zeigt man diesem jemand so, dass man das Spiel durchaus auch mitspielen kann. Allerdings, liebe Internet-Trolle: Das soll jetzt keine Aufforderung sein… 😉 . Am liebsten wären mir natürlich lauter nette Kommentare von lieben Menschen :-). Also – hinterlasst mir gerne einen Kommentar.

Was sind eure Erfahrungen mit Hasskommentaren? Wie geht ihr damit um?

10 Kommentare zu „Hasskommentar-Recycling à la Lord of the Lost“

    1. Vielen Dank! Freut mich!

      Die Jungs sind da echt kreativ. Was ich gestern auch wieder gesehen habe: Jemand hatte auf YouTube unter einem Musikvideo sowas geschrieben wie „Mir wird schlecht“ – und bekam auf Antwort darauf „Gute Besserung!“ Das ist auch großartig. Und klar – man kann es fast überall im Internet anwenden. 🙂

  1. Aktiviere deine Kommentar-Funktion! Und du wirst überrascht sein, was passiert!!!
    Also ganz ehrlich: wahrscheinlich nix!
    Die meisten sind schlicht zu faul, etwas zu schreiben. Denn irgendwie ist den Trollen dann doch bewusst, dass ihr Kommentar hier stehen bleibt. Oder von Dir genutzt. Oder gelöscht wird. Hier auf deiner Seite hast du es in deiner Hand.
    Anders bei Social Media. Jedoch habe ich den Eindruck, dass die Hater erst ab einer bestimmten Reichweite aktiv werden.
    Also ich hatte bisher, nach gut zwei Jahren, noch keinen doofen Kommentar 😊

    1. Vielen Dank für Deinen lieben Kommentar!

      Sollte ich wirklich machen. Am Anfang denkt man halt, oh, lieber vorsichtig, ist ja schließlich das Internet … 😉
      Werde es mal ausprobieren. Liebe Grüße!

  2. Liebe Carmen,
    ein kreativer Umgang mit Haß-Kommentaren ist wirklich das allerbeste, das man damit machen kann. Passende T-Shirts zu drucken und dann auch noch Geld damit zu verdienen: das ist wirklich genial!
    Danke für diesen Einblick.
    Neider und Wichtigtuer wird es wohl immer geben – statt sich dagegen aufzulehnen, ist die „Flucht nach vorne“ wirklich das beste 👍

    Viele Grüße
    Danielle

    1. Liebe Danielle,
      ja, es ist eine wirklich geniale Idee. Sänger Chris hat das auch mal in Interviews gesagt – wenn die wüssten, wie viel Geld wir mit ihren Kommentaren machen! 😉
      Wobei die Einnahmen aus dem „billigen Öko Rock“ sogar gespendet wurden – da hat der Hasskommentar-Schreiber so nebenbei noch etwas Gutes getan. 😉

      Liebe Grüße!

  3. eine sehr kreative Idee, mit diesen Kommentaren umzugehen! 👍🏽 … ich war ja fast versucht, die heute mal einen solchen zu hinterlassen. … Nur: ich weiß gar nicht, was ich da schreiben sollte! … ich beleidige ja auch niemanden im „echten“ Leben (zumindest niemals absichtlich! und wenn es mir passieren sollte, entschuldige ich mich sofort!).

    1. Liebe Angela,
      das denke ich bei Lord of the Lost auch manchmal – bin fast versucht, einen lustigen Hasskommentar zu schreiben, damit die Jungs wieder Ideen für T-Shirt-Motive haben 😉 – aber ich glaube, die kriege auch so genug davon. Und ich bin ja auch kein Internet-Troll & beleidige niemanden – zumindest versuche ich es. 🙂

      Liebe Grüße!

  4. Pingback: Jahresrückblick 2023: "... and the strangest things seem suddenly routine" - CarmenAnnaLinguist

  5. Pingback: Wer mich im Jahr 2023 inspiriert hat - CarmenAnnaLinguist

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert