Was ist eine Metapher? Das Bild zeigt einen Laptop mit Comic-Gesicht und Händen.

Was ist eine Metapher?

Metaphern? War da nicht etwas … ja stimmt, damals in der Schule. Im Deutschunterricht. Gedichtinterpretation. Du solltest in irgendeinem langweiligen Gedicht Metaphern suchen und interpretieren, die sich irgendein Dichter vor hundert Jahren ausgedacht hat. Vielleicht fandest du es schwierig, hattest keine Lust und hast nur auf die Klingel gewartet. Aber vielleicht hattest du sogar Spaß daran und warst fasziniert von diesem kreativen Gebrauch von Sprache? Aber die Schule ist lange her, und mit Metaphern hast du nichts mehr zu tun. Oder?

Stimmt nicht so ganz. Denn Metaphern kommen nicht nur in Gedichten oder anderen literarischen Werken vor. Tatsächlich verwenden wir sie täglich, und tatsächlich verstehen wir sie ganz leicht, ohne uns irgendwelche Gedanken darüber zu machen. Deinem Deutschlehrer von damals war das möglicherweise selber nicht klar. Denn wenn es um Gedichtinterpretationen geht, geht es tatsächlich meistens um Metaphern als Stilmittel und als künstlerisch-kreative Verwendung von Sprache.

„WordPress will mich ärgern!“

Aber in der Linguistik sieht man das anders – genauer gesagt, in der kognitiven Linguistik. Kognitive Linguistik beschäftigt sich damit, wie unsere Sprache mit unseren Erfahrungen und der Welt um uns herum zusammenhängt. Metaphern gelten in der kognitiven Linguistik als wichtiger Teil unseres Begriff-Systems (conceptual system) bzw. unserer Wahrnehmung. Wir können ohne Metaphern nicht denken, nicht sprechen – und nicht handeln.

Ein Beispiel? Du schreibst einen Blogartikel, willst ihn veröffentlichen – aber irgendetwas klappt nicht. Du versuchst so einiges, aber immer wieder ist die Formatierung falsch, oder das Beitragsbild wird falsch angezeigt. Dann sitzt du vielleicht vor deinem Computer und sagst sowas wie „Hey, WordPress, willst du mich heute ärgern?“

Aber WordPress ist eine Software. WordPress kann dich überhaupt nicht ärgern (selbst wenn es wollte – aber … Moment mal … es ist eine Software, es kann gar nichts wollen!). Und es bringt auch gar nichts, mit WordPress zu reden; WordPress kann dich nicht hören und nicht darauf reagieren. Trotzdem ist es für uns ganz normal, so etwas zu einer Software oder auch zu einem Gegenstand zu sagen. Warum?

Weil wir in Metaphern denken. In unserem Denken ist die leblose Software WordPress ein Mensch. Ein Mensch, der selbstständig und vorsätzlich handeln kann – und der z. B. Formatierungen selbstständig ändern oder Beitragsbilder falsch anzeigen kann, um eine Bloggerin zu ärgern. Und mit dem wir reden, wie wir eben mit einem Menschen reden würden: „Hey, willst du mich ärgern?“

In der kognitiven Linguistik formuliert man das so: WORDPRESS IST EIN MENSCH. Das ist die kognitive Metapher, die hinter diesen Gedanken steht. Wir denken über WordPress, wie wir über einen Menschen denken würden. Der Begriff „Mensch“ ist die Quelle und der Begriff „WordPress“ ist das Ziel. Diese konkrete, leicht zu verstehende Quelle wird verwendet, um das abstrakte, schwieriger zu verstehende Ziel zu beschreiben und zu verstehen. Deswegen können wir so einen Satz wie „Hey, willst du mich ärgern!“ über eine Software denken und aussprechen, und andere können ihn mühelos verstehen. Denn niemand, der dich vor deinem Laptop sitzen sieht und hört, wie du mit WordPress „redest“, würde denken, dass dieses „WordPress“ ein Mensch ist oder dass du deine Software plötzlich für menschlich hältst. Jedem wäre klar, dass du das im übertragenen Sinne meinst – aber kaum jemand würde hier tatsächlich an eine Metapher denken.

Warum verwenden wir solche Metaphern?

Warum gibt es diese Metaphern in unserer Alltagssprache und in unserem Denken? Mit Metaphern lassen sich Dinge leichter ausdrücken und verstehen. Durch Metaphern wird es für uns viel einfacher, abstrakte oder komplizierte Dinge (wie z. B. eine Software) zu verstehen und über sie zu sprechen.

Stell dir vor, du erzählst einer Blogger-Kollegin von deinem Tag. Wie würdest du es beschreiben? Würdest du sagen: „Als ich heute meinen Blogartikel veröffentlichen wollte, haben sich ständig meine Formatierungen geändert und mein Beitragsbild wurde falsch angezeigt.“ Oder würdest du sagen: „WordPress hat mich heute geärgert!“ Möglicherweise würdest du auch sagen: „WordPress hat ständig meine Formatierungen geändert und mein Beitragsbild falsch angezeigt!“ Aber auch mit dieser Formulierung denkst du in der WORDPRESS IST EIN MENSCH Metapher: Auch hier sprichst über die Software, als wäre sie ein Mensch, der absichtlich Formatierungen ändern und Beitragsbilder falsch anzeigen kann (z. B. um eine Bloggerin wie dich zu ärgern).

Egal, was du letztendlich sagen würdest – deine Blogger-Kollegin könnte alles ganz einfach verstehen. Selbst bei den beiden Varianten, bei denen du eine Metapher verwendest, würde sie es sofort verstehen – ohne sich groß den Kopf zerbrechen zu müssen wie früher in der Schule bei den Gedichtinterpretationen.

Solche Personifizierungs-Metaphern, in denen Objekte oder andere Dinge als menschliche Wesen angesehen werden, verwenden wir häufig. Genauso normal und selbstverständlich würdest du z. B. sowas wie „Hey, willst du mich ärgern!“ auch zu deinem Computer, zu deinem Auto oder zu deiner Kaffeemaschine sagen, wenn etwas nicht funktioniert. Oder zu der Bahn, wenn mal wieder ein Zug Verspätung hat oder ausfällt.

Alltagsmetaphern

Neben den Personifizierungs-Metaphern gibt es viele weitere Metaphern, die wir im Alltag ständig verwenden und die einen großen Teil unseres Denkens ausmachen. Ein paar Beispiele, die du sicher schon lange kennst und auch täglich verwendest:

  • DAS LEBEN IST EINE REISE – zeigt sich in Ausdrücken wie „er ist vom rechten Weg abgekommen“ oder „sie weiß nicht, wie es weitergehen soll“.
  • ZEIT IS GELD –  auch eine häufige Metapher. So kann man z. B. Zeit sparen, oder etwas kann Zeit kosten.
  • IDEEN SIND NAHRUNG – manchmal muss man eine Information erstmal verdauen oder hat an einer Idee zu knabbern.
  • EIN ZUSTAND IST EIN BEHÄLTER – jemand kann z. B.  in einem schlechten Zustand sein. Diese Metapher ist im Englischen noch häufiger – dort heißt es z. B. in love oder in pain.

Unser Alltag ist voll von Metaphern. Aber natürlich findet man sie auch überall dort, wo Sprache kreativ verwendet wird: in Gedichten, in Romanen, in Songtexten, in Werbung – und natürlich auf Blogs.

Dein Blog ist ein Business-Blog, dein letzter Blogartikel ist ein Fachartikel und du glaubst, deswegen kommen darin keine Metaphern vor? Ich wette: Wenn du einmal anfängst zu suchen, findest du immer mehr Metaphern – auch an Stellen, an denen du sie nicht vermutet hättest! Und das ist kein Zeichen dafür, dass du dich undeutlich ausdrückst – im Gegenteil: Wie bereits erwähnt, können Metaphern dabei helfen, Dinge zu erklären und verständlicher zu machen. Oder wie erklärt und versteht man sonst so einen abstrakten Begriff wie „Zeit“ – wenn nicht durch einen leichter zu verstehenden Begriff wie „Geld“?

Mehr als Nerdwissen

Was hat man davon, diese Alltagsmetaphern erkennen und finden zu können? Nun, einmal ist es natürlich Angeberwissen. Falls z. B. die Dating-App deines Vertrauens dich eines Tages mit einem Kognitive-Linguistik-Nerd matchen sollte, könntest du ihn mit deiner Weisheit beeindrucken. 😉

Aber tatsächlich ist es weit mehr als unnützes Nerdwissen. Zum Beispiel kann man Metaphern auch bewusst für bestimmte Zwecke einsetzen. So werden Metaphern häufig in Werbung und Marketing verwendet, um Produkte und Dienstleistungen zu erklären oder um die Zielgruppe neugierig zu machen. Auch in Blogartikeln sind Metaphern wertvoll, z. B. um den Artikel interessanter oder abwechslungsreicher zu gestalten oder um komplizierte Sachverhalte leicht verständlich vermitteln zu können.

Mir als Linguistik-Nerd macht es auch einfach Spaß. Ich entdecke inzwischen überall Metaphern. So wurde für mich z. B. Musik hören zu einem ganz anderen Erlebnis, da ich immer wieder wunderbar kreative Metaphern in Songtexten entdecke.

Vielleicht fällt dir jetzt auch die eine oder andere Metapher ein, die du vorher nie als Metapher erkannt hättest? Aus deinem Lieblings-Song, aus deinem neuesten Blogartikel oder aus dieser nervigen Werbung, die immer wieder kommt? Schreib es mir gerne in die Kommentare!

 

P. S.: Schlaue Bücher für alle, die neugierig geworden sind und mehr wissen wollen

  • Lakoff, George & Johnson, Mark. 1980. Metaphors We Live By. Chicago: University of Chicago Press.
  • Kövecses, Zoltán. 2010. Metaphor: A Practical Introduction. 2nd Edition. New York: Oxford University Press.

 

1 Kommentar zu „Was ist eine Metapher?“

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