Eigentlich wollte ich ja schon längst einen Artikel über meine Doktorarbeit geschrieben haben. Aber irgendwie wurde das bis jetzt noch nichts. Bis ich vor ein paar Wochen diese Blogparade von Gabi Kremeskötter entdeckt habe: Erzähl mir von deinem aktuellen Schreibprojekt. Das ist doch ein Zeichen … oder nicht? Denn so eine Doktorarbeit ist ein Schreibprojekt, und ein richtig großes!
Worum geht es in meiner Doktorarbeit? Wie gehe ich an dieses Projekt ran? Was ist mein Schreibprozess? Und ohne welche Tools könnte ich nicht?
Wenn ihr neugierig geworden seid, lest gerne weiter!
Schreibprojekt: meine Doktorarbeit
Mein aktuelles großes Schreibprojekt – mein mit Abstand größtes (bis jetzt?) – ist meine Doktorarbeit.
Geschrieben habe ich in der Vergangenheit schon vieles. Nach dem Abi habe ich zuerst International Business Studies in England studiert, und später Anglistik mit Schwerpunkt Sprachwissenschaft an der Uni Heidelberg (an der ich auch meine Doktorarbeit schreibe). So kam im Laufe der Jahre einiges zusammen: Hausarbeiten, Texte für Referate, Folien für Präsentationen, Handouts, noch mehr Hausarbeiten, die Bachelor-Arbeit für Business-Studium und die Magisterarbeit fürs Anglistik-Studium.
Außerdem schreibe ich natürlich seit einer Weile Blogartikel, und seit meiner Teenagerzeit schreibe ich Briefe. So richtig altmodisch, mit Stift und Briefpapier. Tatsächlich mache ich das nicht mehr ganz so viel wie früher – wie das so ist, man bleibt nicht mit allen in Kontakt; und sonst gibt es heutzutage natürlich WhatsApp & Co. Doch hin und wieder schreibe ich immer noch gerne einen altmodischen Brief. Aber in diesem Blogartikel soll es um meine Doktorarbeit gehen – viel umfangreicher und viel aufwendiger als alles, was ich vorher geschrieben habe.
Worum geht es in meiner Doktorarbeit? Die Kurzfassung: Ich schaue mir Markenhomepages aus Sicht der kognitiven Linguistik an. Auf Marken kam ich durch mein Business-Studium, auf kognitive Linguistik durch ein Seminar über Metaphern – bei der Professorin, die jetzt meine Doktorarbeit betreut.
Was genau ist eigentlich eine Marke? Was ist kognitive Linguistik? Und was hat das mit Metaphern zu tun?
Marken: Welche Schokolade darf es sein?
Marken sind überall um uns herum. Wenn du einen Blog und ein Business hast, hast du höchstwahrscheinlich auch eine Marke. Marken unterscheiden verschiedene Produkte und Dienstleistungen voneinander. Zum Beispiel, wenn du im Supermarkt vor dem Süßigkeiten-Regal stehst und versuchst, dich für eine Tafel Schokolade zu entscheiden. Welche nimmst du? Vielleicht magst du am liebsten die Zartbitter-Schokolade. Okay – aber für welche der vielen verschiedenen Tafeln Zartbitter-Schokolade entscheidest du dich? Die in der lila Verpackung, die in der weißen Verpackung, oder doch lieber die in der roten Verpackung?
Vielleicht spricht dich die lila Verpackung aus irgendeinem Grund mehr an als die weiße Verpackung oder die rote Verpackung, und deswegen landet die lila Verpackung in deinem Einkaufswagen.
Aber warum spricht dich die lila Verpackung mehr an? Weil diese lila Verpackung nicht nur eine Verpackung ist – sondern ein Erkennungszeichen einer Marke, und es ist diese Marke, die dich anspricht. Wie wird diese Marke – das Produkt, der Markenname, die Verpackung, das Design etc. – erschaffen? Das schaue ich mir in meiner Doktorarbeit an – aus Sicht der kognitiven Linguistik.
Kognitive Linguistik: Metaphern und mehr
In diesem Bereich der Linguistik geht es um den Zusammenhang von Sprache und Wahrnehmung: Wie nehmen wir die Welt wahr, und wie zeigt sich das in unserer Sprache? Zum Beispiel – wie entscheiden wir, ob wir dieses Ding mit einer Platte und vier Beinen Tisch nennen – oder ob wir Hocker dazu sagen? Und wenn es ein Tisch ist, was für ein Tisch ist es? Nennen wir es einfach nur Tisch – oder Schreibtisch, Küchentisch, Beistelltisch? Das ist eines der Themen, mit denen sich die kognitive Linguistik beschäftigt.
Ein weiteres – und sehr großes – Thema innerhalb der kognitiven Linguistik sind Metaphern. Jeder kennt Metaphern aus der Gedichtsanalyse damals in der Schule. Aber tatsächlich kommen Metaphern nicht nur in Gedichten, Songtexten oder auch in kreativen Werbeanzeigen vor – sondern auch häufig im alltäglichen Sprachgebrauch.
Wenn du z. B. sagst: „Mein Computer will heute nicht!“, dann verwendest du eine Metapher – dein Computer als lebendiges Wesen (denn ein Computer ist eine Maschine, er kann nicht wirklich etwas „wollen“). Oder wenn du sagst: „Ich muss diese Information erstmal verdauen.“, dann sprichst und denkst du über diese Information, als wäre sie etwas zu essen – denn eine Information kann man nicht wirklich „verdauen“. Das ist also auch eine Metapher.
Diese Metaphern verwenden wir ständig im Alltag – wir müssen nicht darüber nachdenken, wir können sie ohne Probleme nutzen und verstehen – oft, ohne zu merken, dass es sich um Metaphern handelt.
In meiner Doktorarbeit verbinde ich Marken und kognitive Linguistik. Ich schaue mir die Kommunikation auf Markenhomepages an – u. a. im Hinblick darauf, welche Metaphern dort vorkommen und wie dadurch Marken erschaffen werden. Das Ganze mache ich am Anglistischen Seminar der Uni Heidelberg.
Gut Ding will Weile haben …
Ich schreibe tatsächlich schon ziemlich lange an meiner Doktorarbeit. Wie lange, das verrate ich hier nicht – aber wie das oft so ist: Erstens kommen die Dinge anders, zweitens als man denkt. Und schon ist wieder ein Jahr rum, und das Ding ist immer noch nicht fertig.
Wobei – das eigentliche Schreiben mache ich noch nicht so lange. Denn bei so einer Doktorarbeit ist das Schreiben nur der letzte Schritt. Vorher ist eine ganze Menge anderer Dinge zu tun: Genaue Fragestellung herausarbeiten, und dann austüfteln, wie man das tatsächlich umsetzt. Dazu gehört auch viel Ausprobieren – und viele Fehlversuche. Denn für eine Doktorarbeit gibt es keine Gebrauchsanweisung und keine Standardmethode, die für alles funktioniert.
Ich wusste, ich wollte Markenhomepages aus Sicht der kognitiven Linguistik untersuchen. Aber – wie geht das? Wie mache ich das am geschicktesten?
Die Homepages welcher Marken soll ich nehmen, und was ist die beste Methode, sie auf meinem Computer zu speichern – so, dass ich sie immer leicht wiederfinde? Wie genau mache die Analyse? Auch hierfür habe ich mir die Methode selbst erarbeitet – in mehreren Anläufen, bis ich endlich etwas hatte, das funktioniert. Wenn es endlich funktioniert, dann heißt es: Machen! Also alle meine Homepages analysieren (in mehreren Durchgängen), und dann die Ergebnisse anschauen und gucken, was ich damit anfangen kann und was sie mir sagen können.
Aber irgendwann war ich mit all dem soweit fertig – und seitdem kann ich mich endlich ganz aufs Schreiben konzentrieren. Das heißt auch: Endspurt! (Hoffe ich mal.)
Schreiben, schreiben, schreiben!
Seit einer Weile bin ich also am Schreiben. Auch da gibt es bei so einem großen Projekt einiges an Kopfzerbrechen und einige wie-geht-das und wie-mache-ich-das-am-geschicktesten-Momente. Ich versuche, jeden Tag ein Stückchen weiterzukommen: Textabschnitte planen, Gliederung anpassen, Hintergrundinfos raussuchen oder nachprüfen, einen ersten Entwurf schreiben, den Entwurf überarbeiten (und nochmal … und nochmal … überarbeiten), Rechtschreib- und Grammatikprüfung – das sind so ungefähr meine Arbeitsschritte.
Bei dem vielen Material, das ich habe, ist es gar nicht so leicht, eine Gliederung zu erstellen. Was ist wichtig und was nicht? Was nehme ich mit rein, und was kann ich weglassen? Was müssen meine Leser wissen, um alles verstehen zu können? Das bei jedem Kapitel eine Tüftelarbeit.
Eine Doktorarbeit ist ein akademischer Text. Das bedeutet, dass ich bei meinen vielen Informationen aus anderen Quellen genau aufpassen muss: Welche Information oder welches Zitat habe ich aus welchem Buch oder aus welchem Artikel, von welchem Autor und von welcher Seite? Welche Idee ist von mir, und welche ist von jemand anderem? Das ist auch ein Grund, warum allein das Schreiben seine Zeit dauert. Zum Glück habe ich hierfür meine Methoden und Tools zur Wissensverwaltung, die diesen Teil der Arbeit einfacher machen.
Schon beim Recherchieren achte ich natürlich darauf, immer die genaue Quelle inklusive Seitenzahl aufzuschreiben und richtig in meinen Text einzubauen. Aber manchmal muss ich doch beim Überarbeiten oder Korrektur lesen nochmal in die Originalquelle schauen, um zu überprüfen, was genau der Autor dort gesagt hat – und ob das, was ich geschrieben habe, dazu passt.
Workflow: Paragraphs in English
Lange habe ich viel ausprobiert, habe mit Tools und Workflows experimentiert – und es doch wieder verworfen und nochmal anders versucht.
Aber im Laufe der letzten zwei Jahre gab es einige Gamechanger, sodass es jetzt mit dem Schreiben richtig gut läuft: Scrivener, Notion, LanguageTool und Writing Science in Plain English von Anne E. Greene (2013, The University of Chicago Press).
Ja – ich schreibe meine Doktorarbeit auf Englisch. Was im Fach Anglistik nichts ungewöhnliches ist. Ich bin auch ein Englisch-Nerd, ich schaue auch in meiner Freizeit gerne Serien auf Englisch, ich denke viel auf Englisch – Schreiben auf Englisch ist also kein Problem für mich.
Durch mein schlaues Buch von Anne E. Greene habe ich endlich gelernt, meine Kapitel und Abschnitte zu strukturieren und sinnvoll aufzubauen. Wie sie in Writing Science in Plain English erklärt, behandelt jeder Absatz ein Thema. Dieses Thema wird in einem einleitenden Satz (issue) vorgestellt und anschließend weiter erläutert (development). Der Absatz endet mit einem abschließenden Satz (conclusion), oder – z. B. in einer Einleitung – weist auf das Folgende hin (point).
Gerade diese Paragraphs-Methode funktioniert super für mich! So achte ich wirklich darauf, was ich schreibe, und bringe nichts durcheinander – sodass meine Doktorarbeit hoffentlich ein gut strukturierter Text wird, der sich gut lesen lässt.
Das eigentliche Schreiben mache ich mit Scrivener, Notizen und To-dos verwalte ich in Notion, und das Korrigieren mache ich mit LanguageTool – das ist seit Januar 2024 mein Workflow, und endlich einer, der richtig gut funktioniert!
Nicht ohne meine Tools!
Neben Scrivener, Notion und LanguageTool gibt es noch weitere Tools, ohne die ich mir dieses Projekt nicht mehr vorstellen könnte. Auch da habe ich im Laufe der Jahre das eine oder andere ausprobiert und auch schon mit anderen Tools gearbeitet – aber das sind zurzeit meine Lieblingstools, die mir immer wieder den Allerwertesten retten.
- Zotero. Ohne ein gutes Literaturverwaltungsprogramm geht es nicht – d.h. theoretisch schon, aber mit ist es definitiv einfacher! Gerade hier hatte ich im Laufe der Jahre noch ein paar andere Tools, aber jetzt bin ich bei Zotero hängengeblieben. Der große Vorteil ist, dass es kostenlos ist, und es macht, was es soll – ohne zu viel Schnickschnack drumherum, der einen ablenkt. Mit Zotero sammelt man Literatur und sonstige Infos, und man hat dort alles auf einen Blick – und kann später ganz einfach ein Literaturverzeichnis erstellen.
- Notion. Erst im Januar 2024 habe ich Notion entdeckt – und bin begeistert! Seitdem mache ich fast meine ganze inhaltliche Planung und meine Notizen in Notion. Vor allem hervorheben muss ich hier die Datenbank-Funktion – damit organisiere ich z. B. meine Kapitel und Abschnitte und die dazugehörigen Notizen und To-do-Listen.
- OneNote. Das war jahrelang mein Notiz-Tool Nr. 1 – und ich verwende es immer noch, wenn auch jetzt weniger als vorher. Teilweise, weil ich da noch vieles drin habe und es sich nicht lohnt, jetzt alles in Notion zu übertragen. Aber auch, weil OneNote immer noch praktisch ist – z. B. kann man hier ganz einfach Dateien oder Ausdrucke anfügen (sehr nützlich bei Artikeln, die ich als PDF gespeichert habe).
- Scrivener. Unschlagbar für große Schreibprojekte! Anders als in normaler Textverarbeitungs-Software hat man hier nicht ein großes langes Dokument, sondern ein Projekt mit einzelnen Dokumenten für einzelne Abschnitte und mit Ordnern für die Kapitel. So kann man leicht hin- und herspringen oder auch mal etwas verschieben. Wenn alles fertig ist, lässt sich alles leicht als ein Text- oder PDF-Dokument exportieren. Super ist auch die Schnappschuss-Funktion, mit der man mit einem Klick eine Kopie vom Dokument erstellen kann, bevor man es bearbeitet. In diesem Artikel stelle ich Scrivener etwas ausführlicher vor.
- LanguageTool. Seit fast einem Jahr das Tool meiner Wahl zur Rechtschreib- und Grammatikprüfung. Zusätzlich kann man sich über die KI-Funktion Synonyme oder alternative Formulierungen vorschlagen lassen.
- Um Wörter nachzuschlagen oder Synonyme zu finden, nutze ich außerdem dictionary.com und thesaurus.com. Gerade, wenn ich am Überarbeiten und Text verschönern bin, retten mich diese Online-Wörterbücher oft.
- Klebenotizen. Seit ich Doktorandin bin, habe ich einen Klebezettel-Tick. Mein Schreibtisch klebt ständig voll mit den Dingern. Meine Schublade ist auch voll damit – weil ich immer mehr davon kaufe (und geschenkt kriege) als ich benutzen kann. Die Teile sind aber auch praktisch. Ich kann mir schnell eins schnappen und eine Idee darauf kritzeln, damit ich sie nicht vergesse – z. B., wenn mir mitten im Metaphern-Kapitel eine Idee für einen Blogartikel über etwas ganz anderes kommt. Außerdem machen die bunten Zettelchen meinen weißen Schreibtisch bunter!
- Blöcke und Stifte. Ja, tatsächlich – manchmal schreibe ich ganz altmodisch gerne mit der Hand. Dabei kann ich manchmal besser denken oder meine Gedanken sortieren.
- MAXQDA. Ein großartiges Tool für qualitative und quantitative Datenanalyse. Damit habe ich meine Analysen gemacht. Hat also nicht direkt etwas mit dem Schreiben zu tun – aber sehr viel damit, worüber ich schreibe.
Von der Doktorandin zur Expertin
Im März 2024 hatte ich es endlich geschafft und den ersten Teil meiner Doktorarbeit an meine Professorin geschickt! In dem Teil erkläre ich den theoretischen Hintergrund zu Marken, Werbung und kognitiver Linguistik.
Ich habe ihn auch schon zurückbekommen, mit einer langen To-do-Liste – allerdings ist die nicht ganz so lang, wie ich befürchtet hatte. Im Herbst werde ich mich da ransetzen, alle To-dos in meine Notion-Datenbank eintragen und dann abarbeiten.
Vorher will ich noch den zweiten Teil soweit fertig schreiben – den Teil, in dem es um meine eigene Untersuchung und meine Ergebnisse geht. Dafür ist fast alles vorbereitet, und er muss „nur“ noch geschrieben werden. Wenn der Teil soweit fertig ist, bekommt ihn auch meine Professorin, und ich setzte mich ans Überarbeiten des ersten Teils.
2025 soll mein Projekt endlich fertig werden. Irgendwann wird die Doktorarbeit auch als Buch veröffentlicht – denn in Deutschland gehört das normalerweise dazu. Daneben schreibe ich weiter auf meinem Blog und versuche, mich als Expertin für die Themen meiner Doktorarbeit bekannt zu machen.
Soweit alle Klarheiten beseitigt? Sonst stelle eure Fragen gerne in den Kommentaren! Oder habt ihr vielleicht eigene Schreibprojekte, von denen ihr erzählen wollt?
Liebe Carmen Anna,
ich bin voller Respekt für deine Doktorarbeit, noch dazu auf Englisch!
Ich selbst habe zwar „nur“ kreatives Schreiben studiert, in über zwei Jahre verteilte „Ein-Wochenende-pro-Monat-Seminaren“, aber meine Abschlussarbeit wurde ebenfalls Buch, wenn auch erst Jahre später (2019: Zweihundertneunzehn Quadratmeter Glück! Ein Projekttagebuch):
https://www.gabi-kremeskoetter.de/blog/zweihundertneunzehn-quadratmeter-glueck/
Danke für deinen Artikel, zu dem meine Blogparade dich motiviert hat.
Somit hast du nun deine Fertigstellung für 2025 festgelegt, da geht jetzt kein Weg mehr dran vorbei 🙂
Ich habe einiges neues gelernt bei dir und werde insbesondere in Sachen Metaphern meinen Sprachgebrauch einmal „durchforsten“ 🙂
Viele Grüße zu dir
Gabi
Liebe Gabi,
Dir vielen Dank für Deine Blogparade – so habe ich endlich den Blogartikel über meine Doktorarbeit geschrieben!
Das Thema Metaphern ist echt interessant – wenn man einmal da „drin“ ist, sieht man überall kreative Metaphern. Werde dazu auch im Laufe der Zeit noch mehr Artikel schreiben.
Liebe Grüße!